Donnerstag, 12. November 2009

Policia, Amigos, mein Laptop und ich (Sicherheit in Mosambik)

Mit der Routine im Alltag schleicht sich auch Unachtsamkeit ein, und so war’s dass eines morgens nach einem kurzen Stopp beim Toyota Büro im Auto etwas fehlte.
Mein Laptop.
Fluchen, U-turn mit quietschenden Reifen, zurück zum Tatort und sinnloses Befragen der Passanten und Guardas, die überall rumstehen (frag mich wozu).
Natürlich hat niemand etwas gesehen. Also auf zur Policia, 2a esquadra de Pemba, Anzeige erstatten.
Nachdem der freundliche und sympathische Sr. Vontade (Chef vom Dienst) in zivil alles notiert hat, gehe ich und soll am Nachmittag wiederkommen.
Kurz darauf, ich und ein Freund sind schon am Stadtrand, einen potentiellen Projektpartner für mich besuchen, läutet das Telefon: Ich möge doch nochmal zurückkommen und den Tatort genau beschreiben. Als wir ankommen, interessiert sich niemand für den Tatort, nur für das Auto. Aha, der weiße Hilux.
Drei Personen in zivil, dem Vernehmen nach Polizei aber nicht wirklich oder so, wurden instruiert und ziehen dann los – Laptop suchen.
Es gäbe übliche Verdächtige für so was, ich soll mich entspannen, sie werden den Laptop schon finden. Ziemlich selbstbewusst, finde ich, kommt mir komisch vor und so richtig entspannt bin ich nicht.
Am Nachmittag komm ich wieder, Sr. Vontade ist nicht da und ich erzähl die ganze Geschichte nochmal dem Chefe da esquadra (der mit den meisten Streifen auf der Schulter und eigenem Büro). Wird schon werden, meint er zuversichtlich – sie tun, was sie können. Dann bekomm ich den Bericht vorgelegt um zu unterschreiben. Ich will vorher Barbara hinzuziehen, weil ich nicht alles verstehe. Als ich mit der Bericht-Schreib-Beamtin kurz allein bin, erfahre ich, in plötzlicher Vertrautheit, dass sie noch Zement kaufen muss (!?), noch 100,- Mtn fehlen und ob ich ihr helfen kann. Mehr so als Aussage denn als Frage.
Ich, ziemlich überrascht, will Zeit gewinnen, Barbara holen und sag, dass ich grad keine 100,- dabei hab, werde aber gleich wieder kommen.
Nachdem ich eine Kopie des zweiseitigen, handgeschriebenen Berichts brauch und ich schon von solchen Fällen hörte, mir es die 100,- Mtn (keine 3€) für die Kopie für die Versicherung wert sind, zahle ich als wir zurückkommen.
Das, obwohl sie, wieder unter Kollegen, das Geld nicht mehr erwähnt. Als Dankeschön quasi für’s Schreiben (wofür sie aber sowieso, zwar schlecht wie man hört, aber doch, bezahlt wird).
Irgendwie komisch – so unter der Hand.

Kaum sind wir dann am Abend zuhause angekommen, wieder Telefon: die Ziviltruppe hat einen Laptop gefunden und ich soll kommen und sagen, ob’s meiner ist. Nicht zur Polizei, sondern zu irgendeinem Platz in der Stadt, keine Passanten, nur Autos, spärlich Licht.
Ich fahr hin, nehm aber außer Telefon und ganz wenig Geld nix mit und – Treffer!
Es ist meiner, tudo completo, mit Tasche, Maus, Netzteil, Kabeln, unberührt und wie wenn er auf mich gewartet hätte.
Einschalten, Hochfahren, Login per Fingerprint, alles da, Festplatte nicht formatiert (hatte ich befürchtet – Passwort cracken hätte ich ihnen hier nicht zugetraut).
SUPER – Dankeschön!
Gern geschehen, aber langsam, langsam. So einfach kann der Lappi nämlich nicht ausgehändigt werden, das sei nämlich so:

[GESCHICHTE]
[Ein amigo der policia hätte bei der policia angerufen nachdem der ladrão (der Dieb) ihm den Lappi verkaufen wollte und er Verdacht geschöpft hätte. Der ladrão lies den Lappi gegen eine Anzahlung von 2.000,-Mtn beim amigo; die restlichen 3.000,-Mtn wolle er am nächsten Tag haben und holen. Das sei der Zeitpunkt, wo die policia zuschnappen wolle. Damit nun der amigo ein amigo bleibe, müsse er natürlich die 2.000,- wieder zurückbekommen. Von mir. So würde das hier funktionieren.]

[Interpretation der GESCHICHTE von Ortskundigen]
[Freunde der Polizei oder sogar die Polizei selber würde stehlen, dem Geschädigten sein Eigentum zurückverkaufen, jeder steckt ein paar Hunderter ein, pronto.]

Jetzt könnte man meinen, 2.000,- Mtn (ca. €50,-) seien der Rede nicht wert, 1x Deppensteuer bezahlen und fertig. Hier ist das aber knapp ein Monats-Mindestgehalt, und: wer einmal Milch gibt, wird immer wieder gemolken...
Abgesehen davon ist es schlichtweg illegal (auch in Mosambik) und korrupt. Das soll zumindest aufgezeigt werden. Ob die [GESCHICHTE] nun wahr ist, oder nicht.

Also was tun?
Ich hatte ja vorsichtshalber zur Identifikation kein Geld dabei. Naja, wenn ich jetzt nicht bezahlen könne, müsste der Chef angerufen werden, um die weitere Vorgangsweise zu besprechen. Oje – leider kein credito (= Gesprächsguthaben), ob ich helfen kann? 200,- Mtn für den Chef der „erfolgreichen“ Ziviltruppe.
Also: Aufbewahrung des Laptops in der nahen Polizeistation, am nächsten Tag Bezahlung und Übergabe. Heimbringen eines zivilen Helfers in sein Dorf mit meinem Auto.
Gute Nacht. Guten Morgen.
Die Gedanken rotierten, ich beriet mich mit erfahrenen Freunden. Die pragmatischen meinen „zahl, und du hast den Lappi“, die anderen „zahl, und du zahlst immer“...

Nach langer Beratung gab’s folgenden Plan: Wir gehen aus Sprachgründen zu 2t hin, ich und Leopoldino, unser Portugiesisch-Lehrer, Radioreporter und mittlerweile guter Bekannter, zeichnen die Unterhaltung mit seinem Diktiergerät heimlich auf und spielen das Spiel mit. Solange, bis wir den Laptop haben (der sonst ohne Probleme aus dubiosen Gründen wieder verschwinden könnte) und fragen danach, ob wir für die 2.000,- eine Rechnung mit Stempel und so haben können.
Für uns als Beweisstück und hilft ev. irgendetwas bei der Versicherung. (Zahlt eine Versicherung bei wissentlicher Korruption?).

Alles sehr aufregend.

Wir fahren hin und werden erst mal warten gelassen. Zwischendurch wird uns in 4- bis 6-Augengesprächen von 2 unterschiedlichen Personen die [GESCHICHTE] wieder erzählt und gefragt, ob wir das Geld eh mithätten. Thumbs up, jop - haben wir. Alles klar. Können wir anfangen?
Mmh, der chefe do secretario ist noch nicht da und nur er darf mir mein Eigentum übergeben. Normalerweise beginnt sein Dienst um 7:00. Warum er heute um 9:00 noch nicht da ist, weiß keiner. Anrufen geht nicht (MCEL), ev. hat er ein Transportproblem? Wir holen ihn ab, fahren zu einem Haus, dass zu Fuß keine 10min vom Polizeiposten entfernt ist und warten wieder. Er ist gerade im Badezimmer.
Stirnrunzeln bei uns.
Endlich kommt er, ein junger Bursche. Wir fahren zurück, bleiben freundlich und versuchen die Stimmung positiv zu gestalten.
Zurück bei der Polizeistation, Warten...

Nach insgesamt drei Stunden werden wir schließlich hineingebeten.
Skeptische Blicke auf Leopoldino und die an meinem Hals baumelnde coole Handytasche, worin das versteckte Aufnahmegerät läuft (falls L. nicht mit rein hätte dürfen).
Im Zimmer der chefe da esquadra, chefe do secretario, Schreiberling vom Dienst, Leopoldino und ich.
Die [GESCHICHTE] wird nochmal erzählt, ich hätt’s noch nicht ganz verstanden, umständliches Nachfragen, damit wir alles in den Kasten kriegen. Portugiesisch, Englisch übersetzt und nochmal von vorn.
Aha, aso.
Da kann man wirklich nix anderes machen? Hmhm, komisch aber na gut, wenn zumindest der Laptop wieder da ist. Wo ist der überhaupt?
Jaja, den haben sie.
In Sicherheit.
Ob ich ihn sehen kann?
Naja, dann holen sie ihn halt.
Tatsächlich - er ist da.
Alles auf ‚Band’ und in den Wartephasen hantierte ich spielend mit dem Handy um die handelnden Personen zu fotografieren.
Naja, dann also Geld auf den Tisch, OK.
Die Bestätigung der Aushändigung ist noch zu unterzeichnen - passt.

Lappi bei mir, Geld bei ihnen.

Aha – da steht jetzt aber nix von dem Geld drinnen... – ob ich noch eine Rechnung haben könnte? Sie wissen schon, Versicherung und so.

Auf einmal war mehr Nervosität im Raum - Also das geht jetzt nicht.
Aha, wieso?

In dem Moment geht die Tür auf, die drei Beamten zucken zusammen, erheben sich halb und grüßen mit der Hand an der Kappe.
Sr. Comandante, an die 60 Jahre, Respektsperson. Ob es noch ein Problem gäbe?
Nein, nein, alles klar. Er braucht dann einen von ihnen.
Der chefe da esqudra geht ihm nach, raus, die anderen zwei bleiben und erzählen nochmal die [GESCHICHTE].
pfffffff

Dann kommt der chefe da esquadra retour, setzt sich an seinen Tisch und beginnt zu erklären: die Polizei dürfe offiziell kein Geld nehmen, das Ganze wäre überhaupt eine Angelegenheit des Staates und deshalb auch keine Rechnung.
Wenn ich will, soll ich das Geld wieder nehmen, und legts mir wieder vor die Nase.

Ich, irritiert von so viel Rechtschaffenheit, schau fragend in den Raum.
Die zwei anderen Beamten, irritiert von der 180° Wende, schauen fragend zum Chef, dem es entweder zu heiß geworden war oder der die Lunte gerochen hatte.

Ein paar Mal hin und her überlegt, geschaut, aber wenn er’s so sagt und ich natürlich der gleichen Meinung bin, dann nehm ich’s wieder. Etwas verunsichert.
Ich möchte mich aber erkenntlich zeigen, einfach so, für die prompte Arbeit und ihnen ein refresco, einen Kaffee oder ein Essen zahlen...
Strikte Zurückweisung: Geld annehmen ist verboten. Ehrensache.
Ok, dann, herzlichen Dank, nichts zu Danken, schönen Tag noch und raus.

Draußen vor der Strasse steht noch ein ziviler Kollege der nächtlichen Einsatztruppe. Dem geb’ ich 400,- Mtn zum Teilen mit den Kollegen (wusste offenbar nix vom Geldannahme-Verbot). Der freute sich wie ein Schneekönig und bedankte sich – Ciao!
Ins Auto und [Record] [Stopp].
Durchatmen.

War das jetzt richtig oder haben wir uns die Polizei zum Feind gemacht?
Leopoldino meint Nein, nur Respekt verschafft.
Was die Frage nach einer Rechnung nicht alles bewirken kann.
Alles Gut.

Nächster Tag, 8:00, Telefon, chefe da esquadra.
Sie bräuchten mich nochmal, ein Dokument würde fehlen, ob ich noch einmal kommen kann.
Ich hab eigentlich keine Zeit, Nena im Auto, bräuchte einen Übersetzter / Sparringpartner und das Aufnahmegerät zur Sicherheit, hab einen Termin mit einem potentiellen Projektpartner, den ich schon zweimal wegen dem Sch.... in den Sand gesetzt hab. Heute geht’s wirklich nicht.
Es würd nur 10, 15min dauern.
Ok, ich komm...
Heute mit Barbara, in der Handytasche diesmal tatsächlich das Handy drin und das Diktiergerät in der Hosentasche.

Small talk, Sr. Vontade (der Nette), chefe da esquadra und wir.
Nochmal die [Geschichte] für Barbara.
Nach Rücksprache mit dem Sr. Comandante könnte jetzt doch eine Rechnung ausgestellt werden wie ich gestern gewünscht hätte. Ich solle (bitte) bezahlen und der Polizei helfen.

Jetzt bin ich in der Zwickmühle.

Barbara neben mir, total nervös, bedrängt mich, um der Sicherheit meiner Familie Willen, zu bezahlen.
Stress. Ich komm mir vor wie im falschen Film.

Glücklicherweise hatten wir einige Tage vorher den Chef von Barbaras Schwester Uli kennen gelernt, seines Zeichens ehemaliger EU-Botschafter in Mosambik bis 2006. Wenn wir was brauchen, sollen wir uns an ihn wenden.
Der letzte Trumpf:
Ich war nach unserem gestrigen Gespräch so aufgeregt und verwirrt, dass ich einen kompetenten amigo des ehemaligen embassadors um Rat ersuchte. Dieser bestätigte mir, dass o Sr. Chefe ein Mann der Ehre sein müsse, da alles was er mir gestern erzählte richtig sei: die policia DARF kein Geld nehmen und es IST eine Angelegenheit des Staates, weswegen ich jetzt schon wieder verwirrt sei, wenn ich nun doch zahlen solle.
Mhm, aha.

Sr. Chefe, leicht geschmeichelt aber nicht zufrieden, telefoniert.
Ich soll warten, der Sr. Comandante kommt (vom anderen Ende der Stadt).
Ich hab aber (echt) keine Zeit mehr und will weg (noch einen chefe überstehe ich nicht).
Wir flüchten entgegen Barbaras Willen und vereinbaren stattdessen einen Termin für zwei Tage später – ich brauch Zeit.
Barbara meint, jetzt hätte ich ihn bloßgestellt, wenn der Comandante kommt und wir weg sind.
[Record] [Stopp].

Später, Telefonat mit dem ehem. Botschafter selbst, ob er mir helfen, einen Tipp geben kann. Soll ich zahlen oder nicht? Jetzt, wo ich eine Rechnung bekäme?
Seine Antwort: Nein, Rechnung wäre vermutlich ein fake, Deklaration einer Spende o.Ä. Ich soll nicht zahlen, von den Leuten wegbleiben und künftig besonders auf unsere Sachen aufpassen.

Ich will aber nicht einfach fernbleiben, wo ich das Treffen selbst vorgeschlagen habe und schreibe ein SMS an den chefe da esquadra:

„Habe mit seiner Exzellenz, ehem. EU Botschafter gesprochen. Er erklärte, es ist nicht legal und aus Gründen des Prinzips nicht erlaubt, zu bezahlen. Eine Rechnung macht hier keinen Unterschied. Habe daher beschlossen, das Treffen am Freitag zu canceln. Hoffe, sie verstehen. Hochachtungsvoll, Markus.“

Seine Antwort:
„Guten Tag, Sr. Markus. In gutem Glauben und Willen ist das Treffen am Freitag nicht nötig, aber/und wie ich an jenem Tag schon sagte, Sie müssen nichts bezahlen“


Wollen wir’s hoffen.

3 Kommentare:

  1. cheeee... das liest sich spannender als mein gute-nacht-krimi.
    ich hoffe, die geschichte geht nicht mehr weiter - auch wenn ich es gerne weiter lesen tät... so als roman...

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  2. Dein Posting sollte im H3-Vorbereitungskurs diskutiert werden. Kann mir kaum eine bessere Beschreibung der Situation vorstellen! Besonders das Angebot eines Recibos einen Tag später: ein Schmankerl für den Aussenstehenden.
    Deinen Laptop wirst wohl nicht mehr im Auto lassen bei der nächsten Reparatur ;)
    Markus P.

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  3. i hob richtig herzklopfm jetzt...
    nussi, du bist echt a extrem cooler hund!

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