Samstag, 22. September 2012

Alltag, Kompost, Papaya und Buckelwale



Liebe Leute,

wie ihr vermutlich bemerkt habt, ist mir die Motivation für das Bloggen etwas abhandengekommen – das Leben hier hat sich an uns gewöhnt und umgekehrt, tagelang kein Strom und kein Wasser aus der Leitung nerven, sind aber irgendwie Normalität. Die Leute im Dorf gehen ja sowieso jeden Tag um 4:30 zum Brunnen, holen sich ihre 2 Kanister, mit denen sie dann den ganzen Tag für die ganze Familiauskommen.
Wenn sie erst um 6h kommen, müssen sie stundenlang warten, bis sie drankommen (bzw. stellen sie ihre Gefäße in die Warteschlange und sehen beizeiten nach, wie weit sie gekommen sind…).
Uns gehts also gut.
Bei meinem Projektpartner kommt schon seit Monaten kein Wasser mehr aus dem Anschluss, die Rechnung kommt aber zuverlässig.

Nachdem ich ja nicht nur für Tontechnik sondern im Sektor „Zivilgesellschaft“ tätig bin, haben wir nach 2 erfolglosen „Beschwerdebriefen“ (wir wollen nix zahlen, wenn wir nix bekommen – Revolution!) eine Petition mit den Nachbarn, denen es gleich geht, angezettelt.
Siehe da – drei Tage später lassen sich gleich mehrere Techniker der Wasserabteilung blicken um die Situation zu erheben. Jetzt kann es sich nur noch um Monate handeln, bis es wieder aus dem Hahn tröpfelt.

Die Spannungsschwankungen (wenn Spannung da ist) im Stromnetz, sind derart, dass sich westliche Geräte (ein PA-Verstärker von CROWN / Harman) zu 35% der Betriebsfälle vorsorglich in den Protection-Mode schalten und rot blinken – wir sagen schon nix mehr, sondern legen einfach ein Verlängerungskabel zur Dose von einer der anderen Phasen (der 3 verfügbaren), welche im Toleranzbereich zwischen 215 und 240V liefert. Eine der 3 macht das meistens. Unsicher ist, wie lang. Und wie lang uns der Amp das mitmacht. Grund für den ganzen K**k ist, dass „sich“ das Netz heillos konfus erweitert hat und die E-Gesellschaft keinen Schimmer hat, wer wo dran hängt und wie viel Strom ‚saugt‘.
Die Spitzenzeiten sind wie überall weltweit abends, wenn alle heimkommen, Licht, Aircon, TV etc. aufdrehen – da ist es aber zu finster, um was zu tun, und am nächsten Tag ist ja eh wieder alles ok...
Beim Strom ist‘s mit der Petition nicht so leicht, weil das die Nachbarn eher wenig bis gar nicht juckt. Die haben nämlich kein Equipment von Crown sondern Lärm-Speaker vom Straßenmarkt chinesischen Ursprungs für die private Schallbetäubung (und soweit der Wind es trägt). Wenn‘s nicht geht, geht‘s halt nicht. Das sind nur wir Westler, die glauben, dass immer alles und vor allem sofort funktionieren muss.
Und die paar ‚Stinkreichen‘ die sich auch ein Auto leisten können, können sich auch einen Generator leisten.
So what?!?


Als Barbara in Ö und IT auf Urlaub mit den Kindern war, hatte ich reichlich Zeit und entschloss mich, Bäume zu pflanzen.
Zuerst nur 2. Von denen tat sich einer ziemlich schwer. Nachdem ich Gärtner-technisch eher unerfahren bin, nahm ich nicht nur falsche Betreuung (ich versuchte so fair wie möglich zu beiden Bäumen zu sein und sie gleich zu behandeln) sondern vielleicht auch schlechtes Gen-Material mit in meine Überlegungen zur Ursachenforschung (warum der eine nicht g‘scheit wächst) auf.

Also hab ich nach 2 Wochen nochmal 2 gekauft und mittlerweile die Vermutung, dass es einfach zu wenig Wasser war, was alle bekommen hatten, da sie bei uns mehr Sonne ausgesetzt sind als in der „Baumschule“.
Ich versuchte meine Unerfahrenheit vor dem Verkäufer gar nicht zu verheimlichen sondern ging im Gegenteil ganz offensiv damit um und fragte ihn genau, was ich zu tun hätte.
Der gab mir mit auf den Weg, dass Wasser nicht fehlen dürfe. Hm.
Auf meine Frage nach der Menge, erinnere ich mich nun im Nachhinein an eine subtile Unsicherheit in der Antwort, die eigentlich ich ihm in den Mund gelegt hatte.
Ich fragte: ‚Wie viel Wasser? So ca. 1 Liter pro Tag?‘ Und er antwortete ‚Ja‘. Mit dieser Art und Gestik, die ich mittlerweile schon öfter angetroffen hab und die bedeutet übersetzt:
„Oida, keine Ahnung, - genug halt. Was weiß ich, wie viel 1 Liter ist.“
Dabei ist in meiner Erfahrung nach bei gewissen Personengruppen die Maßeinheit beliebig austauschbar. Km, Minuten, Stunden, Meter – tanto faz.
Und immer wieder passiert mir, dass ich Suggestivfragen stelle.
Ich bin der Depp.

Nachdem nun also die Bäumchen (Papaya-bäume übrigens, und diese, weil die besonders schnell wachsen und dem unerfahrenen Gärtner besonders schnell ein Erfolgserlebnis bescheren können) eingepflanzt waren und so recht und schlecht weiter junge Blätter produzierten, wurde mir natürlich als geprägten Bauernbuben klar, dass im Sand ein junger Baum so seine liebe Not haben würde, Wurzeln zu schlagen.
Auch wenn alle ausgewachsenen Nachbarsbäume ja im Großen und Ganzen die gleichen Bedingungen vorgefunden hatten und nun auch Früchte tragen, wäre eine g‘scheite Erde sicher nicht von Nachteil.
Eine g‘scheite Erde (wia dahoam ;-)) gibt‘s aber hier am Strand schon mal sowieso nicht und weiter im Land drinnen sagen sie halt zum dunkleren Sand Erde. G‘scheite Erde ist das aber auch nicht.
Also selber machen, sprich kompostieren.
Die Geschichte mit unserem Müll ist mir nämlich auch schon länger ein Dorn im Auge.
Mangels Trennoptionen wird unser ganzer Rest einfach haufenweise auf den städtischen Müllberg gefahren. Und von dort verweht der Wind alle Plastiksackerln der Stadt und den Gestank wieder gleichmäßig.
Die meisten Nachbarn machen das Den-Müll-in-die Stadt-Bringen schon mal gar nicht sondern laden ihn einfach irgendwo vorm Dorf (was wiederum in der Nähe von allen ist) ab oder werfen ihn in eine halbherzige Grube.

Wer schon mal tanzenden Blättern im Herbst zugesehen hat, kann sich gut vorstellen, dass Plastiksackerl kein Problem damit haben aus halbherzigen Gruben herausgeweht zu werden.
Jedenfalls schauts so aus, dass die Hecke hinterm Haus, entlang der Straße, welche den Compound vom Dorf trennt, mit viel Vorstellungskraft, auf 200m aussieht wie ein Weihnachtsbaum, geschmückt mit Plastiksackerl.
Das mit dem Müll ist also ein Thema. In der ganzen Stadt, nicht nur bei uns.
Wenn man frisch ankommt, denkt man sich jedes Mal wieder, „Hier leben alle im Müll“, wenn man länger da ist, gewöhnt man sich erschreckend rasch daran.

Also hab ich beschlossen, für mein Gewissen und v.a. für die Kinder, Mülltrennung einzuführen. Damit die Kinder einen Hauch des natürlichen Kreislaufs mitkriegen und damit alle, die bei uns vorbeischauen fragen, wozu denn das gut sein soll. Against all odds zwischen chinesischem Konsum-Krims-Krams.
Zum Beginn ganz einfach dreifach: Bio, Papier und Rest.
Bio für die Erde, Papier für den Wächter in der Nacht zum Feuermachen (der kann Feuer zwar auch ohne unserem Altpapier machen, aber bevor keiner was hat davon...) und den Rest für den Müllberg als Beitrag zur Aufgabe der Stadtverwaltung.

Damit das mit der Erde was wird, hab ich mir eine Kompostkiste vom Nachbarn und einigen Quellen aus dem Internet abgeschaut und optimiert bzw. auf lokale Möglichkeiten adaptiert. Nachdem wir ja grad keine Ahnung haben, wie lange wir noch hier sind, ob wir die Früchte der Bäume überhaupt genießen werden können und jemals überhaupt die Erde unseres Biomülls den Bäumen zuführen werden können, wollt ich die Kiste portabel haben, ohne Schrauben, Nägel oder sonst etwas – rein modular, steckbar. Vielleicht will’s ja wer anderer nachher haben und als Bretter, nicht als ganze Kiste (ca. 1m³) mitnehmen. Stell ich mir praktischer vor.

Das ist es jetzt also – jetzt haben wir eine bereits halbvolle Kompostkiste, 4 Papaya-bäume (mittlerweile habe ich die Wasserspeicherung über den Tag und die langsame Abgabe des Wassers mittels Sägespäne verbessert) und wenn’s wahr ist, wird noch vor Weihnachten g‘scheite Erde für einen Wachstumsschub sorgen. Sollten wir zu Ostern noch da sein, versprechen erfahrende Papayabaum-Züchter, wird‘s zu den Eiern auch Papayas geben.
Wir werden sehen.

August bis Ende Oktober ist Buckelwal-Zeit in der dritt-größten Bucht der Welt, in Pemba.
Letztes Wochenende haben wir uns mit unseren Kollegen ein Boot gemietet und eine Tour gemacht. Ca. 15 Exemplare ließen sich gemächlich auf die imposanten Rücken und Schwanzflossen blicken.
Diesmal gab‘s zwar keine Sprung-Einlagen, es war aber auch so sehr beeindruckend.

Danach hab ich von unseren Nachbarn gehört, dass vor 2 Wochen jemand von den Bootstouren einer Wal-Mutter bei der Geburt ihres Kindes zusehen konnte.
Voll arg.
Jetzt wird dieses Paar regelmäßig beim Tauchen-Lernen für das Junge beobachtet.
Krasse Sache, wie ich finde.