Mittlerweile fühle ich mich mittendrin im Land mit den
unglaublichen Statistiken zu Lebenserwartung und Kindersterblichkeit. ‚Traditionell‘
zur Regenzeit hielt die Cholera Einzug und fordert nach wie vor ihre Opfer quer
durch die Altersgruppen. Und das nicht irgendwo, weit weg von uns, sondern 25
Gehminuten, 5 Minuten mit dem Auto entfernt, im Dorf unserer Hausangestellten,
Maringanha. Das Dorf wo wir am Anfang hier in Pemba wohnten.
Allein in den letzten 7 Tagen starben dort 5 Personen daran.
2 Erwachsene, 3 Kinder. Wir bekommen die Nachrichten zum Frühstück serviert: „A
Cholera continua matar – morreu outra pessoa…“. So in der Art ‚Jetz‘ is schon
wieder was passiert…‘.
Dass wir zuhause eine „Eingangshygienestation“ zur
Desinfektion von Händen und Füßen für alle Ankommenden haben, ist nur eine Form
um mit der Tragik umzugehen und uns selbst und vor allem die Kinder vor dem
Virus zu schützen. Die Bekannten unserer
Angestellten werden deswegen nicht mehr lebendig.
Heute früh ist der Vater von meinem Kollegen Mauro
gestorben. Inoffizielle Todesursache: Malaria. Er war mit unserer Angestellten
Fatima in der Schule, war immer gesund und stark, sagt sie. Vor zwei Jahren
begann man ihm anzusehen, dass er krank war. Bis dahin hatte er eine
ansehnliche Zahl von Kindern gezeugt. 9 Kinder von 4 verschiedenen Frauen sind
bekannt. ‚Sim, ele circulou muito‘ sagt Famita. Er ist viel herumgekommen,
freundlich ausgedrückt.
Das soll hier nicht in gossip ausarten, sondern veranschaulichen, was ich sonst nur aus Büchern oder Fallstudien kannte. Und jetzt konkret aus meiner Nachbarschaft. Nicht ‚aus Afrika‘.
Das soll hier nicht in gossip ausarten, sondern veranschaulichen, was ich sonst nur aus Büchern oder Fallstudien kannte. Und jetzt konkret aus meiner Nachbarschaft. Nicht ‚aus Afrika‘.
Sein letztes Kind kam vor einem Monat auf die Welt und ist
die Enkelin ‚unseres‘ Dorfchefs. Dieser war ganz und gar nicht einverstanden
mit der ‚Liebesbeziehung‘ seiner 16-17jährigen Tochter. Deren Mutter meinte laut
Fatima sinngemäß: 'Lass dich nicht mit ihm ein, er sieht krank aus'. Und sie
sprach nicht von Malaria.
Kurz überschlagen waren also bekannter Weise ca. 15 Personen
den direkten Auswirkungen seiner Körperflüssigkeiten ausgesetzt. Die
Dunkelziffer kann mit ruhigen Gewissen verdoppelt werden. Ich nehme an, dass mehr
als die Hälfte dieser Personen noch nie einen Test gemacht hat.
Nachdem dieser Mann nicht der einzige mit einem derartigen
Lebensstil ist, darf angenommen werden, dass es auch Frauen gibt, die die
weibliche Rolle zu diesen Lebensstilen innehaben. Direkt gesagt: Jede seiner
ehemaligen Frauen ist natürlich nicht allein geblieben, nachdem der Holodri weg
war.
Ein Pyramidenspiel ist ein Kindergeburtstag dagegen.
Russisches Roulette im Blindflug. Zumindest bei der Hälfte der Betroffenen.
Dass die von mir vermutete Todesursache hier nur zwischen
den Zeilen durchklingt, spiegelt die Haltung aus dem Dorf wider. Über das redet
man nicht. Und wenn, dann nur unangenehm berührt.
Ginge mir genauso.
Im Anbetracht all dieser Krankheiten und Tode könnte man
schon leicht verzweifeln. Außerdem sind meine Papaya-Bäumchen so ganz und gar
nix geworden. Das wäre ein schöner Kontrapunkt zu dem Sterben rundherum gewesen
– Bäume pflanzen die auch wachsen. Der letzte meiner 4 Versuche verliert jetzt
grad seine letzten Blätter. Ich kann über die Ursache wieder nur spekulieren.
Vielleicht zu unregelmäßige Wasserzufuhr. Das haut einen echt nieder.
Also ein anderer Anlauf: Kürbisse und Zucchini. Jetzt mehr
im Halbschatten. Die Aufzucht der Kleinpflanzen im Haus war erfolgsversprechend.
Die Beete draußen wurden vorbereitet, bereits etwas eigenen Kompost (der leider noch
viel zu trocken ist, aber wir haben teilweise nicht einmal genug Wasser zum
Duschen…) und Ziegendung dazu gemischt und dann: großes Einpflanzen! Für die
Kinder war es bis daher schon aufregend. Vor allem dass aus den Kernen im Haus auf
einmal grüne Halme und Blätter rauskamen – irre.
Nachdem die Jungpflänzchen auch draußen Fuß fassten, bekamen
aber auch andere mit, dass hier was Leckeres abgeht und binnen 10-14 Tagen
waren fast alle Pflanzen von Schädlingen abgefressen. Wie wenn Cholera, Malaria
etc. nicht schon genug wären.
Die Ursachenforschung gestaltet sich auch hier eher
schwierig. Eine Feindesgattung wurde aber ausgemacht und bewegt sich wie in
Europa kriechend/krabbelnd voran. Schnecken- und Tausendfüßler-ähnliches
Getier.
Um diese Gattung abzuwehren hab ich also noch einen Versuch
gestartet und die Idee eines österreichischen „Schneckenblechs“ auf die
hiesigen Größenverhältnisse adaptiert und die Beete damit zusätzlich zum
Bambuszaun eingezäunt.
Jetzt halten wir grad der zweiten Runde Kürbiskernen die
Daumen, dass sie auch jetzt am Ende der Regenzeit im Haus gehegt und gepflegt
noch austreiben und dann draußen noch Fuß fassen können.
Warum mach ich jetzt das Ganze überhaupt noch? Ich möcht hier mal festhalten, dass das zwischendurch
nämlich äußerst frustrierend ist, falls das noch nicht durchgeklungen sein sollte ;-)
Mein Nachbar Ryan hat letztens eine simbabwianische Redewendung zitiert: Don’t judge your day by how much you reap, but by how many seeds you plant.
Mein Nachbar Ryan hat letztens eine simbabwianische Redewendung zitiert: Don’t judge your day by how much you reap, but by how many seeds you plant.
Das passt im übertragenen Sinn und auch direkt auf meinen
fragwürdigen grünen Daumen: Bewerte deinen
Tag nicht daran wie viel du erntest, sondern daran, wie viel du säst.
Hat was und hilft beim Aufrappeln zum nächsten Anlauf...
Hat was und hilft beim Aufrappeln zum nächsten Anlauf...