Freitag, 30. Oktober 2009

Staphylokokken, Fungus und Hospitalstandard

Es wurde die Möglichkeit ja schon angekündigt, dass es sein kann, dass meine Geschwüre an anderen Körperstellen wieder auftauchen könnten – taten sie nun auch.
Delikat im Schritt und Genitalbereich.
Diesmal aber in umgekehrter Reihenfolge: zuerst wegen vorangegangener zweiwöchiger Antibiotika-Behandlung, Feuchte und Hitze ein Pilz, den ich dummerweise zuerst verkehrt behandelte – worauf er sich wunderbar ausbreitete. Danach, obendrauf sozusagen, das „erwartete“ Geschwür...
Wieder Antibiotika, jetzt aber in Spritzenform – das schwere Geschütz. Leider aber erst einen Tag vor unserer Abreise in die Pampa (DW-Meeting) – also zweimal Spritzen – Pillen und dann nach Rückkehr weiter mit Spritzen war die Verschreibung.
Die erste bekam ich gleich noch vor Ort im „Landeskrankenhaus“ verabreicht. Und zwar so, dass einem schlecht wird.
NOCH NIE hab ich so was gesehen. Barbara und Nena mussten draußen (auf der Strasse) warten (war im Nachhinein auch besser so), ich wurde durch die Gänge in ein Abteil geführt, wo gerade ein Schwerverletzter von drei Personen aus dem Zimmer getragen wurde. Offene Wunden an Kopf, zertrümmerte Hände und Füße – vermutlich die Bestrafung für einen Dieb, wurde mir gesagt.
Am Boden Blutlachen, Reste von Injektionen, Putzzeug, Blutspritzer und Reste von Reinigungstüchern mit Blut...
Der „Injekteur“ streifte sich gemächlich originalverpackte Lattexhandschuhe über, worauf ich dachte, dass Hoffnung auf eine annähernd anständige Behandlung besteht. Damit wurde aber das Blut von der Liege halbherzig verwischt und das Wischtuch basketballmäßig von der Weite in einen im Eck stehenden Kübel verfrachtet. Nachdem ja am Boden immer noch die Lache war, kam dann jemand in blauem Gewand und einem halben Kübel voll Wasser, welcher, wieder mit angemessener Entfernung, Richtung Blut geschüttet wurde. Ich kam mir vor wie im Stall beim Schwemmkanal auslassen – da wird auch zum Schluss Wasser nachgeschüttet und Fliegen waren auch genug...
Herr Injekteur war bereits dabei (mit den gleichen Handschuhen wie vorher – wohl zum Selbstschutz, nicht zum Schutz der Patienten), meine Injektion zuzubereiten und ich achtete akribisch darauf, ob zumindest die Nadelspitze sauber blieb – d.h. nicht in Kontakt mit irgendwas außer dem destillierten Wasser und dem Impfstoff kam.
Irgendwie dürfte man dann mein Unbehagen gespürt haben und nachdem die Liege nur verwischt, aber noch nicht sauber war, wurde ich zurück auf einen den Gänge geleitet, wo unzählige Betten standen. Eines davon leer und halbwegs sauber und darauf wurde mir bedeutet mich zu legen.
Danach ging’s Schlag auf Schlag. Hinlegen, Hinterteil rechts frei machen und NOCH NIE hab ich so eine schmerzvolle Spritze bekommen.
Für Werner: ich hab erst nachher in den Polster gebissen und geächzt.
Nicht einmal damals, mit 14 nach dem Wandertag, als ich den Schiefer in der Fußsole 5 Wochen lang hatte und dann vor der OP in den Eiterherd eine Spritze gegen den folgenden Schmerz des Schnittes (haha) bekam hat es mehr weh getan.
Ich wollte schnell raus und nachdem das Werk des Herrn Injekteurs vollbracht war, dachte ich, ich mach mich aus dem Staub. Das rechte Bein verwehrte mir jedoch seinen Dienst und ich sank noch einmal zurück aufs Bett.
Nach sehr langen 10 Minuten humpelte ich schließlich raus wo Barbara und Nena auf mich warteten und nur Lachen (Barbara) und erstauntes Schauen (Nena) für mich übrig hatten.
Während mich Barbara mit meinem Auto nach Hause fuhr, schwor ich mir, dass ich für eine Behandlung in dieses Krankenhaus keinen Fuß mehr setzen und statt dessen die für hiesige Verhältnisse verschnöselte Klinik konsultieren werde.

P.s.: Antibiotika sind nach 10 Tagen und einem Blutbild in der Klinik jetzt abgesetzt und gegen den Pilz gibt’s Tabletten, Clotrimazol-Salbe (für die PharmazeutInnen unter euch ;-)) und Unterwäscheverbrennung

Malaria? die zweite

Jedes Mal Fieber heißt hier Malariatest – 10 Tage nach dem ersten Mal gleich nochmal.
Mittlerweile weiß Nena schon, was es geschlagen hat, wenn wir sagen, dass der Herr Doktor sich ihr Blut anschauen muss, weil’s sein kann, dass sie ein „krankes Moskito“ gebissen hat...
Entsprechend heftig ist ihre Gegenwehr; wer lässt sich schon gern in den Finger stechen. Jedoch wieder einer jener Fälle, wo ein negatives Resultat Positives bedeutete!

Mittwoch, 7. Oktober 2009

Segel“turn“

Nachdem Dje bald wieder abreist, entschlossen wir uns eine Tagesreise auf einem „traditionellem Dhau“ (Fischerboot) als Touris zu buchen. Die Tradition konnte man noch erahnen, aber GPS, Kunststofftaue, Kühlschrank und „die coolste Toilette ever“ (O-Ton Barbara) ließen dann doch keinen Komfort vermissen. Nur die Wendemanöver sind auf diesen Booten extrem aufwändig: am Hauptmast wird so eine Art Segelbaum (ca. 10m gestückelte Holzstange mit Segel dran) hochgezogen. Der Segelbaum hängt mittig am Hauptmast und wird vorne je nach Segelstellung mehr oder weniger weit nach unten gezogen und fixiert. Das dreieckige (aber nicht gleichschenkelige) Segel wird einfach am unteren Ende zum hinteren Drittel des Boots gespannt – wieder je nach Segelstellung.
Jetzt hängen Segel und Segelbaum z.B backbord. Will gewendet werden, wird ‚alles’ losgemacht, muss der Segelbaum von vorne zum Mast dicht geholt werden, das untere Dreieck des Segels (inkl. komplettes Segel) beim Mast vorn vorbeigezogen und der Segelbaum unter Aufwendung aller Kräfte auf die andere Seite des Hauptmasts gedreht und gewunden und das Segel steuerbord festgemacht werden. Das ganze am Besten unter voller Fahrt und mit etwas Schwung, da man sonst nicht sehr viel Meter gegen den Wind macht... Winchen oder so was gibt’s natürlich dann wegen der Tradition doch nicht – „Ey, this is no push-button operation, man!“ Das kühle Bier haben wir uns verdient.
Am Weg zurück querten dann Wale sehr nah (~100m) unseren Kurs, spielten und winkten mit den Schwanzflossen – imposant!
In der Bucht vor Anker war dann zum ersten Mal Nenas Schwimmflügerl-Einsatz im Meer - mutig bei Wind und Wellen und je länger, desto lustiger: „Ich will noch nicht raus!“

Malaria

Am Geburtstagsfestabend hatte Magdalena dann Fieber und so sind wir am nächsten Tag mit Dje in die Klinik gefahren – denn obwohl selber fast Doktor, war er sich jetzt auch nicht mehr zu 100% sicher, ob seine eigene Diagnose seine eigene Krankheit betreffend stimmte – also Malariatest für Magdalena und Dje .... und Sorgen.
Hatte der Stich in den Finger zwar auch ziemlich weh getan (und das haben auch alle in der Klinik gehört) war es kurz darauf schon wieder zum Aushalten und die gute Nachricht ließ nur 45 min auf sich warten – 2x Negativ!
Das Fieber war auch schon wieder weg und am nächsten Tag gings wieder in den Kiga wo’s sogar noch ein verspätetes Geburtstagsgeschenk gab – Alles Gut!

„Dje“...

... stands for Jeremiah und ist unsere Bekanntschaft von der Ilha. Nurse-practitioner von Beruf (d.h. so was wie ein Doktor), Amerikaner aus Northern California (und JA, von Herrn Schwarzenegger hat man gar keine soo schlechte öffentliche Meinung) und Backpacker, bat er um eine Mitfahrgelegenheit nach Pemba. Nachdem er uns sympathisch war, haben wir ihm das Übernachten bei uns angeboten, was er dankend angenommen hat – zumal ihn gleich nach Ankunft eine Infektion ins Bett gezwungen hatte. Mittlerweile genießen wir die Zeit hier zu viert, und dass wir jemanden da haben, dem wir zeigen können, was wir schon alles kennen und wissen :-)

Geburtstag

Das hat sich festgegraben: Der Abel (Nena’s Cousin) hat eine Schoko/Eistorte zum Geburtstag bekommen. Und Kerzen. Seit Wochen erklären wir, wie oft noch zu Schlafen ist, bis wirklich der Geburtstag da ist um am letzten Wochenende war’s wirklich so weit. Nachem wir auf der Ilha ohne Kochgelegenheit waren, wurde vereinbart, dass am Sonntag nur klein gefeiert wird und es zurück in Pemba dann ein Geburtstagsfest mit Schokotorte gibt.
Sonntag Früh (Geburtstagsmorgen), Barbara und ich noch schlaftrunken im Bett, hören wir Nena schon am Boden spielen uns sagen, „... und das ist das Geburtstagsbuch!“. Barbara springt aus dem Bett und ist untröstlich, dass die auf die Ilha mitgebrachten Überraschungen für Nena von Nena schon im Koffer entdeckt und entlarvt wurden. „Die kleine Raupe Nimmersatt“ und die Malstifte waren ja wohl nicht für uns im Koffer sondern für Sie!

Zurück in Pemba gabs dann das versprochene Fest – Vormittag im Kindergarten mit buntem Streusel-Schokokuchen und Luftballons

und am Nachmittag mit Freunden und KollegInnen von Mama und Papa im Haus.

Nachdem „Happy Birthday“ seit Beginn unseres Einzugs hier schon immer zur Völkerverständigung über den Zaun zum Nachbarskind Natalia (und zurück) gesungen wurde, war’s diesmal das erste Mal, dass es auch einen Anlass gegeben hat – „Parabens para vocé“ und „Zum Geburtstag viel Glück“ natürlich auch!

Schwimmflügerl...

...sind eine tolle Sache. Nicht nur, weil sie ziemlich cool aussehen (klassisch orange – nach den Siebzigern jetzt wieder in), sondern auch, weil sie selbstwertsteigernd sind: „Ich kann schon schwimmen!!“ (O-ton unsere wasserscheue Nena). Nachdem wir jetzt schon länger als 3 Monate da sind, war das Pool unserer Pensão auf der Ilha die erste Gelegenheit für Magdalena ihre Flügerl zu testen.
Nach der ihr eigenen, ziemlich langen Beobachtungszeit der verdächtigen Flüssigkeit wurde der erste Fuß ins Wasser gesetzt und danach auf der ersten Stufe im Wasser lange gespielt. Erst auf die Einladung hin, auf dem Papa-Boot (meinem Rücken) eine Runde zu drehen, berührte mehr als die Hälfte der Oberfläche ihres Körpers das unheimliche Element. Mit Mama und Papa im Wasser auf Tuchfühlung war’s dann auf einmal richtig lustig und nach (verhältnismäßig) kurzer Zeit wurden kurze Strecken zwischen mir und Barbara ohne Anhalten überbrückt. Wenig später paddelte sie „wie Charly“ („unser“ Hund) allein neben uns durchs Pool.

An den folgenden Tagen nahmen die Aufwärmzeit bis zum ersten Reingehen ab, die drinnen vollbrachten „Kunststücke“ zu und „Ich mag aber noch nicht rausgehen“ wurde zur am meist gehörten Beschwerde.
Jetzt gehören wir also zu den Eltern, die ihr Kind wegen zu blauer Lippen aus dem Wasser mahnen und in die Sonne zum Aufwärmen schicken... Irgendwie super J.

Ilha de Mocambique

Die ehemalige Hauptstadt Mosambiks und geschichtsträchtiger Handelsschwerpunkt im „canal de Moçambique“, schwer umkämpft von so ziemlich allen Seehandelsmächten die hier mal was zu sagen hatten (Holländer, Araber, Portugiesen, ...) ist einen Besuch und die 6-stündige Autofahrt von Pemba wert.
Erstes Erlebnis ist das Überqueren der 3,5km langen einspurigen Zufahrtsbrücke mit nur wenigen Ausweichstellen.

Ist man dann angekommen, fühlt man sich beim Durchwandern der Gassen an manchen Stellen ins alte Europa zurückversetzt – Vasco da Gama hat bis heute eine deutliche Handschrift hinterlassen.

Diese Stimmung, vermengt mit mosambikanischem Wahlkampf, verstärkt am 25. September (diesmal 35jähriger Jahrestag des Beginns des Befreiungskampfes gegen die portugiesische Kolonialmacht), damit verbundenen Demonstrationszügen, Gesängen, Fahnenschwingen

und – natürlich – „Wahlkampfhits“ für die führende Partei FRELIMO aus auf Autos fahrenden und übersteuerten Verstärkeranlagen erzeugen ein einprägsames Bild.
Nachdem uns ein Besuch des Muezzin ganz oben am Minarett wegen Baufälligkeit des Gemäuers verwehrt blieb (Moschee war auch schön),

konnten wir die Aussicht über die Insel dennoch und sogar noch besser am Abend in einem überraschend westlich (d.h. nordwestlich) und chilligem Restaurant mit Dachterrasse, guter Musik und gutem Essen genießen.
Einziger Adrenalinbringer waren die ungesicherten Couchen am Rand des Obergeschosses, auf denen Magdalena natürlich turnen wollte – strengstens verboten und per Indianerehrenwort entsagt – dennoch ständig verlockend...
Sogar ein neues „Café Central“ nach Wiener Vorbild haben wir dort gefunden – leider noch geschlossen, aber schon fix fertig mit täglicher bzw. nächtlicher „Lichterprobe“ drinnen. Wir konnten den Besitzer – Stefan – beim In-Country-Training in Pemba treffen und erfahren, dass es - obwohl er in hohen Kreisen verkehrt - gar nicht so leicht ist, alle Lizenzen hier zu bekommen...
Jedenfalls sollte jemand von Euch die Reise auf die Insel dorthin antreten wollen, können wir das nur empfehlen. Inkl. Kontakt zu mikrokreditfinanzierter junger Tourismusinitiative von Locals und einer Pensão mit Swimmingpool im Hof.

Keine Multa ! (?)

Nach heroischem Einsatz von Irma Yanira, minutiöser schriftlicher Rekonstruktion des Hergangs von uns und Darlegung in einem Brief an die Direcção der Migração und Verhandlung mit der Sra. Subchefa ist vorerst für die Ausstellung des „DIRE para menores“ für Nena die Strafforderung von 43.000,-Mts zurückgenommen worden (Vorgeschichte siehe unten) – Pfffff...
Wenn’s wahr ist, bekommen wir das Dokument für Nena im November ohne weitere Zahlungsforderungen.
Auf den Schreck und die Erleichterung hin sind wir erst mal auf Urlaub gefahren :-).