Donnerstag, 28. Januar 2010

Flüsse statt Straßen (wenn schon, denn schon)

Wir waren wieder mal spät dran: ich Termin beim künftigen Chef, Barbara beim Bispo, der Schnellere von uns zwei mit Nena zum Passfotomachen (wieder mal für ihren DIRE-Antrag), unser Guard (wieder mal) verspätet, Nena noch schlafend und wenn sie geweckt wird saugrantig (außerordentlich schlecht gelaunt) und so richtig schwarze Gewitterwolken am Aufziehen.

Nachdem das Haus nicht unbewacht bleiben soll, müssen wir wieder mal mit zwei Autos ins 10 km entfernte Stadtzentrum losziehen. Ich zuerst, Barbara weckt Nena, wartet auf den Guard und kommt nach.
Irgendwie schaff ich’s rechtzeitig. Als ich beim Büro ankomm, schüttet’s in der Stadt schon wie aus Kübeln und die Nachbarskinder duschen sich mit dem vom Dach runterschießenden Regenwasser.
Ich springe vom Auto 7 Schritte ins Haus und bin durchnässt.

Bei der Fahrt vom Büro zur Diözese um Barbara’s task mit zu erledigen (wieder mal Arbeitsbestätigung für Nena’s DIRE abholen), da Barbara nicht rechtzeitig und schlussendlich ohne Übergabe mit dem Guard wegkam, krieg ich die beschlagenen Scheiben nicht mehr trocken bzw. durchsichtig und ahne den Weg mehr, als ich ihn sehe.

Im Schritttempo taste ich mich vorwärts, kenn den Weg nicht so gut, wundere mich aber nach einigen Metern über den durchgängig braunen Schimmer, der weit über den vermuteten Straßenbereich hinausgeht. Irgendwann bin ich so verunsichert, ob ich noch am Weg bin oder nicht und riskiere, schon bei nachlassendem Regen, das Fenster runterzukurbeln und realisiere mit etwas Unbehagen, dass ich mitten in einem See stehe, Wasser bis zum Türeinstieg.
Aufgrund des nächsten Baumes vor mir schätze ich mich aber noch überhalb Straßenuntergrund, sehe zu, dass ich vom Fleck komme, den Kopf beim Seitenfenster raus in den Regen und den Motor hochtourig, damit er beim nächsten Straßenloch ja nicht abstirbt und nicht zuviel Wasser in den Auspuff kommt.
Ich schaff’s gerade noch vor Büroschluss zum Bispo.

Als ich vor seiner offenen Türe warte bis ich dran bin, läutet mein Handy.

Barbara, relativ unentspannt, erklärt aufgeregt, dass überall auf der Straße Wasser ist, viel Wasser.
Mitten im aufgeregten Monolog verschwindet plötzlich das herkömmliche Satzgefüge und die Durchsage kulminiert in ostentativen Wortwiederholungen: scheiße, Scheiße, SCHEiße, ...
Ich werfe einen Blick zum Bischof und drücke das Telefon fest ans Ohr, damit er die lauter werdende Fäkalausdruckskette nicht mithören kann (versteht Deutsch – wär aber international verständlich gewesen).

Ich verliere meinerseits etwas die Gelassenheit, da meiner Fantasie klare Hinweise vorenthalten bleiben. Nach der ca. 15ten Wiederholung erfahre ich, dass Barbara jetzt aufhören muss, weil sie gleich steckenbleibt (sic!), ich versuche noch anzubringen, dass der Motor auf jeden Fall laufen bleiben soll, da ist die Verbindung aus.
Keine 20 sec. später läutet’s wieder, Barbara sagt, sie ist steckengeblieben, überall ist Wasser (?), ich MUSS SOFORT KOMMEN (ich werfe einen Blick zum Bispo, der im Begriff ist, mich hineinzubeten) und ob sie den Motor abstellen soll oder nicht.

Nach meinem telefonischen OK (werde kommen) und NEIN (Motor ja nicht abstellen!!) versuche ich dem Portier eine Nachricht für den Oberhirten zu hinterlassen. Der winkt allerdings ab – es ist 17:00 – er geht jetzt.
Ich stehe unschlüssig da und überlege, das in der Endphase befindliche Gesprächsgeplänkel von Barbara’s Chef mit einer Schwester zu unterbrechen, da läutet’s ein drittes Mal und Barbara verlautet, dass sie’s geschafft hat – sie ist der Wasser-Schlamm-Hölle gerade noch entkommen.

Ich atme zweimal durch und werde kurz darauf ins allerheiligste Empfangszimmer gebeten.
Der gewünschte Brief (A-bestätigung) ist noch ein Entwurf, hat ein paar kleinere Typos drinnen und beim zweiten Korrekturversuch hängt sich der bischöfliche Computer auf.

Während wir die Bestätigungs-Übergabe für den darauffolgenden Tag vereinbaren, läutet’s zum vierten Mal.

Ich MUSS (bitte) SOFORT zum Fotografen kommen.

An Nena ist die Aufregung nicht spurlos vorübergegangen und sie weigert sich, unter lautem Protestgeschreie und Weinen, sich „von dem Mann“ fotografieren zu lassen.

Der Papa soll das Foto machen!!

Ich empfehle mich entschuldigend bei seiner Exzellenz und fahre zum Kodak-Service-Pemba – es tröpfelt nur noch leicht, die Luft in der Stadt ist angenehm gewaschen und die Strassen sind voller Bäche und Mist, welcher vorher säuberlich in Zeilen und Haufen neben den Strassen lag.
Als ich ankomme, wartet eine erkleckliche Anzahl an Kunden, dass sich ein störrisches, weißes Kind fotografieren lässt und sie endlich an die Reihe kommen.

Boa tarde! Ähm, ja, genau, - ich bin der Vater.

Kurzer Blick durchs Lokal, Tasche ins Eck, Begrüßung und Verbündung mit Nena, ich stell mich wie zum Abdrücken neben den Chef des Ladens und der zweite Schnappschuss passt.
Wir dürfen bei der Nachbearbeitung zusehen: ein Kratzer am Wangerl und die verweinten Augen werden ruck-zuck kaschiert, da begrüßt uns ein Bekannter von Barbara von der Diözese.
Ob er ein Stück mitfahren kann?
Ja klar – kein Problem!
Aber der Papa muss mich tragen, verlangt Nena, die genug von fremden Männern hat, die nahe kommen.

Wir gehen zu den Autos, mit den praktischen Plastik-Flip-Flops durch den knöcheltiefen Bach der unterm Auto durchfließt, der Kollege bei mir im Hilux, wir fahren los und wundern uns, warum Barbara mit Nena im Rav nicht nachkommt.
Warten,
Telefon,
Barbara: das Auto ist kaputt!

Ich, ungläubig und genervt, drehe um, fahre zurück, starte den Rav. Der kommt, aber ruckelt.
Wir tauschen Autos und fahren im Konvoi heim.
Mit einigem Ruckeln, zwischendurch Absterben und nochmaligen Wasserlochdurchfahrten (Adrenalin!) schaffen wir’s schlussendlich bis nach Hause und auf den letzten km läuft der Rav immer runder – Gottseidank!

Zuhause, der Guard ist inzwischen angekommen und bekommt eine volle Ladung Anspannung von mir ab: er hat gefälligst pünktlich zu sein wenn er da arbeiten will und seine Ausreden interessieren mich nicht – ich bin zornig! – dann erstmal auf die Couch und Durchschnaufen.

Pffffff...

Was für ein Nachmittag!
Barbara hat schon ein Bier offen und wir scherzen, dass diese Geschichte einen Blogeintrag wert ist.
Ich will ihr als krönenden Schlusspunkt meine vorerst einmonatige Arbeitserlaubnis zeigen, finde aber meine Tasche nicht.
Ich ahne Schlimmes, frage Barbara, gehe raus zu den Autos, wieder rein, sie hat’s auch nicht gefunden und ich zucke aus...

Da war alles drinnen: Geldtasche, Bankomat-, Kreditkarte, Bargeld, Reisepass, DIRE, Führerschein (national und international), Impfpass, Projektdokumente.
Ich kann’s nicht glauben und produziere nun meinerseits eine Fäkalausdruckskette, so heftig, dass Nena zu weinen beginnt.
Ich beruhige mich und Nena kurz, um mir gleich darauf unglaublich niedergeschmettert vorzustellen, wie freundlich ich bei der Policia mit meinem Anliegen empfangen werden werde. SO EIN SCH....!

Die Tasche kann nur bei einem der Autostops gestohlen worden sein oder sie steht noch im Kodak-Shop, meine letzte Hoffnung.
Ich krame das Telefonbuch hervor (ja, so was gibt’s hier!) und finde tatsächlich die Nummer. Wir rufen an und erklären umständlich, was wir wollen – UND: leider nein, da ist keine braun-gelbe PUMA-Tasche. F..K!
Das gibt’s ja nicht!

Also los, zur Policia.

Am Weg will ich Barbara anrufen, damit sie das Sperren der Kreditkarten initiiert, aber ihr Handy läutet in meinem Auto. Hat sie wohl beim Rein und Raus glücklicherweise im Autoinneren verloren – war zwischen den Sitzen reingerutscht.
Also später Sperren.

Während der ganzen Fahrt male ich mir aus, womit ich die nächsten Wochen verbringen werde.
Nicht. Lustig.

Bevor ich zu meinen Freunden und Helfern fahre, will ich noch mal persönlich im Shop vorbeischauen – ich will’s einfach nicht glauben.
Mittlerweile ist’s 19:20 und ich fahre für die Verhältnisse (dunkel, nass, schlechte Scheinwerfer und Scheibenwischerblätter) nicht gerade vorbildlich, aber ich hab Glück und es geht sich aus: im Geschäft ist immer noch Licht! Der Guard meint, der Chefe ist noch mit einem Kollegen da.
Als der mich durch’s Fenster auf mein Klopfen hin sieht, grinst er, geht hinter die „Budl“ und holt: meine Tasche!
Unglaublich!

Wieso hat er am Telefon gesagt, sie ist nicht da?!?

Welches Telefon? Bei ihm hat niemand angerufen, sein Akku ist leer!

Ich zeig ihm die Nummer und er schüttelt den Kopf – kennt er nicht. Ist jetzt ja auch egal.
Ich check durch und es ist tatsächlich alles da. Ich pack’s nicht.

Die zwei lehnen bestimmt meinen überschwänglichen Dank und angebotenen Finderlohn ab – Ehrensache!

Mir bleibt nur übrig, meine Schuldigkeit zu artikulieren. Wann immer ich was helfen kann (weiss jetzt auch nicht so genau, was das sein könnte) soll er mich anrufen!
Wir tauschen Nummern aus und machen uns zu guter Letzt bekannt.
Er heißt Tony.
Markus.
Händeschütteln. Muito Prazer!

Da Tony, mei Freind, denk ich bei mir und bin an dem Abend erleichtert, wie selten zuvor.

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