Sonntag, 11. September 2011

Glaube kann Berge versetzen…

… und die hiesige Ausübung uns manchmal den Rest geben.

In den letzten Wochen hat sich bei Katha die Tendenz entwickelt, dass sie lieber nachts als unter Tags trinkt und damit auch lieber unter Tags schläft als nachts. Bei uns wäre es eigentlich noch umgekehrt.
Jedenfalls hat sich damit die familiäre Aufwachzeit kontinuierlich zu früherer Stunde hin entwickelt. Worauf auch Nena aufwacht und womit natürlich nicht mehr an Schlaf zu denken ist.
Soweit so normal.
Mit Nena konnten wir an Wochenenden manchmal luxuriöser Weise bis nach 7h schlafen, mit Kahta anfangs an guten Tagen bis 6:30. Dann bis 6h, 5:30 und seit kurzem begünstigt durch entfernte aber durchaus gut hörbare elektroakustische Wiedergabe – wir dachten an einen extrem lauten Fernseher im Morgengrauen - nur noch bis 5h früh.
Mit ausreichend geringem Entspannungsgrad war ich heute (Sonntag) in der Früh bereit, der Ursache auf den Grund zu gehen. Aus dem Bett raus, schnappte mir Katharina die animiert durch die fernen Laute schon munter im Bett rumturnte, sodass zumindest Barbara von ihr noch etwas Ruhe hatte, und marschierte ins Dorf rein Richtung lauter.
Abgesehen von der erfrischenden Wirkung eines Morgenspazierganges, die mir ein klein wenig vom Ärger nahm, konnte man vermutlich meinem Gesichtsausdruck noch ablesen, dass ich nicht ganz aus freien Stücken unterwegs war.
Das rege Tagestreiben im nur teilweise mit Strom versorgten Dorf beginnt natürlich früher und endet – bis auf die Freitags-Disco – auch früher. Deswegen wurde ich auch allerorts von ausgeschlafenen Morgengrüßen, Zunicken und Kinder – „dada!“-Rufen begleitet.
Als ich nach 15minütigem Fußweg an der Schallquelle ankam, fand ich ein fast verlassenes Haus, im umzäunten Hof ein Junge, der sich um einen Topf am Feuer kümmerte, rundherum normales Morgentreiben, keine Spur einer Versammlung oder von aufmerksamen Zuhörern und aus den scheibenlosen Fenstern dröhnte der Grund meines Spaziergangs.
Etwas irritiert stand ich nun da, Katharina am Arm, und sah schließlich die Nachbarin. Ich winkte ihr, ging auf sie zu und fragte sie, ob sie mir erklären könne, was denn hier abgehe.
Zuhause hatten wir ja aufgrund der unverständlichen Sprachmelodien vermutet es könnte sich eventuell um eine Wiederholung irgendwelcher Regierungsansprachen (so in der Art „Hohes Haus“), Propaganda oder um eine besonders frühe Version der Wahlwerbung handeln. Unabhängig vom Inhalt hätte ich mir aber zumindest eine Person in der Nähe erwartet, die dem ganzen zuhört.
Die Nachbarin also nickte, lächelte mütterlich, schaute mich verständnislos an und schickte schließlich eine jüngere Frau in die dem lauten Haus entgegengesetzte Richtung los. Mir zugewandt meinte sie nur: Der Besitzer kommt schon.
Aha.
Tatsächlich bog kurz darauf ein junger Mann ums Eck und wir begrüßten uns – er sei der Hausbesitzer.


Nun fragte ich also ihn, was es mit dem Lärm auf sich hätte. Wir würden ca. 2km entfernt auf der anderen Seite des Dorfes wohnen und in den letzten Tagen in aller Herrgottsfrüh immer von seinem Morgenprogramm „begleitet“ wach werden. Das sei ziemlich hart.
Er schaute mich durchdringend an und fragte schließlich: Sind sie kein Muslim?
Ich verneinte.
Arco Iris? (eine lokal verbreitete, von Weißen betriebene Glaubensgemeinschaft – wir glauben Sekte)
Negativ.
Das jedenfalls sei kein Lärm oder Propaganda sondern Auszüge aus dem Koran (dargebracht in der lokalen Sprache Makua, in aufgeregter Predigermanier, den Verstärker auf Anschlag) damit sie hinten auf der Baustelle (ca. 70m entfernt) in der Früh während der Arbeit (zwei Stunden lang!!!) den Worten des Propheten Mohammed lauschen können.



Ich versuchte meine Gedanken zu ordnen, was mir aber aufgrund meiner Mischung aus Überraschung und Ärger etwas schwer fiel. Natürlich könne jeder seine Religion in der Art und Weise ausleben, wie er das für richtig halte – wir würden das halt zuhause oder in der Kirche tun und ich hatte angenommen, dass die Muslime das eben auch entweder zuhause oder in der Moschee machen wohin sie auch der Muezzin per Lautsprecher ruft (in Österreich dröhnen als Pendent dazu ja schließlich auch überall die Glocken), alles kein Problem. So jedenfalls sei’s aber für uns etwas „ungewöhnlich“… Wegen der anhaltenden Perplexität dauerte meine Suche nach einem Kompromissvorschlag etwas.
Noch bevor ich fortfahren konnte, meinte er aber ‚OK‘, nickte etwas und nachdem er nichts mehr zu dem Thema zu sagen hatte, ging er wieder auf seine Baustelle.

Jetzt wissen wir wenigstens, wo’s herkommt 8-)

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